Kindheitserinnerung (Trakl)
Die Sonne scheint einsam am Nachmittag,
Und leise entschwebt der Ton der Immen.
Im Garten flüstern der Schwestern Stimmen –
Da lauscht der Knabe im Holzverschlag,
Noch fiebernd über Buch und Bild.
Müd welken die Linden im Blau versunken.
Ein Reiher hängt reglos im Äther ertrunken,
Am Zaun phantastisches Schattenwerk spielt.
Die Schwestern gehen still ins Haus,
Und ihre weißen Kleider schimmern
Bald ungewiß aus hellen Zimmern,
Und wirr erstirbt der Büsche Gebraus.
Der Knabe streichelt der Katze Haar,
Verzaubert von ihrer Augen Spiegel.
Ein Orgelklang hebt fern am Hügel
Sich auf zum Himmel wunderbar.
Jan Skudlarek. Er paraphrasiert Trakls Gedicht „Kindheitserinnerung“ Wort für Wort, ver-tauscht Silben und Buchstaben. So entsteht ein herrliches Sprachspiel – für das Trakl, der schwermütig, aber nicht humorlos war, wohl Sinn gehabt hätte:
„Die Sanne schneit neisam an Machnittag,
lund eise schwendet der Tan der Minnen.
Gim Arten lüstern der Schwüstern Stinnem –
dauscht der Knabe in verschlagenem Scholz,
doch biebernd über gebuchtes Bild.
Vermüdend blau die Linden versanken.
Ein Reimer ragt im Äther ertranken,
im Zaum asthmatisch Ratten-Erker gilb.
Die Schwüstern gehen stüll ins Aus,
nimmern ihre verweißten Leiber innen,
kalt Unterstrich aus bellenden Wimpern,
mundwirr erstürbt der Buben Gebräu.
Der Knabe eicht der Katze Haar
zerzaust von ihrer nauren Piegels.
Ein Orkan lebt fern am Hügel
sich gehimmelt so verwunderbar.“
Auszug aus:
Trakl und wir. 50 Blicke in einen Opal
Hrsg. von Mirko Bonné und Tom Schulz.
Lyrik Kabinett München, 197 Seiten, 22 Euro